#Geschichten, Interview aus dem Jahr 2013 von Dunkeltext

Auf ein Bier bei FRESCH Identity. Und auf eine Geschichte in drei Akten.

Erster Akt: «noch eine Agentur?»

Tobi ist bei FRESCH Identity verantwortlich für die Kreation. Er sitzt auf dem Sofa, hält einen Steuerknüppel in den Händen und manövriert einen kleinen Helikopter durch die Luft. An der Wand klebt ein Poster von Scarlett Johansson in Lebensgrösse. 

Wir befinden uns in einer Bürogemeinschaft im Erdgeschoss des alten Ryff-Areals in Bern. Fünf Menschen aus zwei Firmen sind hier untergebracht. Drei Programmierer, Tobi und Chrigi. Die Luft im Raum ist stickig. Vernunft und Konzentration mischen sich mit Kühnheit und Leichtsinn. 

Chrigi ist bei FRESCH für die Beratung und die Projektleitung zuständig. Er öffnet das Fenster und schleppt die kaltgestellte Kiste Bier an die Wärme. Die Programmierer*innen von soom-it nehmen die Nebengeräusche kaum war: Erst, als Tobis Helikopter abrupt an Höhe verliert und auf die Tastatur eines Programmierers abstürzt, schreckt dieser jäh auf. 

Es ist 17 Uhr und die Flaschen klirren. Erdbeeren, Nüsse und Chips stehen bereit.

Anmerkung: Zugunsten des Leseflusses kürzen wir die Namen der Protagonisten mit den Buchstaben C (für Chrigi) und T (für Tobi) ab.


Interviewer (empört): Hier kommt alles aus Österreich. Bier, Chips, Nüsse!

T  
Aldi. (Nascht genüsslich eine Handvoll Nüsse).
C  (Schmunzelnd) Sonst schauen wir sehr stark darauf, dass wir regionale Hersteller*innen unterstützen.

Kann ich im Interview ja nachträglich ändern.


Der Fotograf Raul Surace sitzt unweit des Geschehens an zwei grossen Bildschirmen. Er hüstelt und schlürft heissen Tee.


Ihr habt im Sommer 2013 eine Agentur für visuelle Kommunikation gegründet und tretet seither unter dem Namen «FRESCH Identity» als GmbH auf. Wie unterscheidet sich eure Agentur von den zig anderen?


(Beide gleichzeitig. Gelächter.)
 

C  Eine Grafikagentur zu eröffnen, hat noch nichts Innovatives an sich. Wir möchten in der Art und Weise wie wir arbeiten einzigartig sein, wie wir als Berater mit den Kund*innen umgehen, wie wir ihre Probleme verstehen und umsetzen, wie wir sie aber auch kritisch hinterfragen. Ich möchte auch mal sagen können «hey, das brauchst du im Fall nicht». Authentizität ist uns wichtig, da wollen wir unseren Kund*innen einen Mehrwert bieten.
T  Wir glauben wirklich daran, dass Authentizität ein Mehrwert ist für die Kund*innen, dass sie sehen, das sind der Chrigi und der Tobi, sie können uns aufs Handy anrufen und mit uns sprechen, sie können mit uns sogar ein Bier trinken oder ein Glas Wein. Wir wollen Nähe bieten. Das Aufgesetzte war für mich früher in den Agenturen immer sehr anstrengend


«Eine Grafikagentur zu eröffnen, hat noch nichts Innovatives an sich.»


Und ihr nennt euch trotzdem «Agentur».


T  
(Gestik nimmt zu) Darüber haben wir verdammt oft diskutiert! Das Problem ist doch, dass dieser Begriff gesetzt ist. Entweder redet man von einem kleinen Grafiker-Atelier oder eben von einer Werbeagentur. Es ist auch für die Suche auf Google wichtig, dass wir eine Agentur sind.


Macht doch eine Anti-Agentur, dann werdet ihr auch gefunden.


T  
Anti-Agentur Bern? Das wäre eine gute Idee. (Gelächter, T nascht weiter Nüsse und redet ungeniert mit vollem Mund) Agenturen haben nicht immer ein gutes Image, das darf man glaube ich sagen. Wir wollen nicht eine unbeliebte Agentur werden. Vielleicht ist das naiv. Vielleicht müssen wir irgendwann einsehen, dass es nicht anders geht. Wir wollen einfach freundlich und frisch sein!
C  Genau!
T  Auch sozial ...  (T überlegt weiter), wir wollen gut leben und irgendwann auch Geld verdienen. Wir haben nicht den Plan, sehr reich zu werden (T schaufelt weitere Nüsse in seinen Mund) ... schon gar nicht auf Kosten anderer.
C  Genau!
T  Wir möchten, dass es für alle stimmt. 


C und T sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Sie argumentieren besonnen und lassen sich bei den Antworten Zeit. C trägt einen für ihn charakteristischen Kapuzenpullover. Er vertritt die Firma als Berater und Projektleiter gegen Aussen. T überrascht mit einer extravaganten Brille. Ausserdem trägt er einen gelben Schal. T ist für die Gestaltung zuständig. «Bei wichtigen Diskussionen gibt es oft Reibungspunkte», sagt C. «Dadurch haben wir einst gemerkt, dass diese Kombination von unterschiedlichen Hirnen extrem Potenzial hat», fügt T an. Wer die beiden Jungdreissiger beobachtet, stellt fest, dass deren Beziehung von gegenseitigem Respekt geprägt ist.

Tobi und Chrigi im 2013

Zweiter Akt: «eine frische Identität»

Ihr differenziert euch über Authentizität, Ehrlichkeit und das Unverbrauchte. Ist nicht die Überblickbarkeit eurer kleinen Agentur auch ein wesentliches Differenzierungsmerkmal?


T  
Unbedingt. Es ist überhaupt nicht das Ziel, dass wir mal 30 Mitarbeiter*innen haben. Wir wollen lieber fundiert und nahe mit den Kund*innen zusammen arbeiten.
C  (Ironisch) Eine*n Assistent*in nehmen wir. Ansonsten schauen wir mal, wie wir uns entwickeln. 
T  Handkehrum haben viele Kunden das Gefühl, dass unsere Zwei-Mann-Agentur zu klein ist für ihr Projekt, obwohl sie genau richtig wäre. Wir haben ja ein Netzwerk von Leuten, mit denen wir sehr projektbezogen und fokussiert arbeiten. Das muss man auch betonen. Wir sind zwar zwei Leute, aber selbst hier im Raum sind Programmierer*innen und Fotograf*innen, wir haben ein Netzwerk an Texter*innen und Freelancer*innen, die wir easy für ein grosses Projekt heranziehen können. 
C  Was für die Kund*innen ja auch interessanter ist, weil wir Spezialist*innen berücksichtigen können und nicht nur die, die im Haus sind und die wir auslasten müssen. Wir können selber bestimmen, wer für welches Projekt in Frage kommt.


«Es ist auch so, dass wir in die Aare steigen, um ‹FRESCH› zu werden, um vom Computer wegzukommen»


Diskutieren wir doch über die Arbeitsphilosophie von FRESCH Identity. Was geschieht, wenn ihr eine Aufgabe angeht?


T  
(Überlegt) Im Prinzip ist es so: Der*die Kund*in sieht eine Problemstellung vor sich und hat bereits gewisse Vorstellungen von der Umsetzung. Jetzt gibt es die Möglichkeit, immer Ja zu sagen, aber es gibt auch die Möglichkeit, kritische Fragen zu stellen.


«Es gibt die Möglichkeit, immer Ja zu sagen, aber es gibt auch die Möglichkeit, dem*der Kund*in unangenehme Fragen zu stellen.»


Die Ja-Sager Strategie wäre komfortabler.


C  
Genau! Aber wir suchen nicht unbedingt den komfortablen Weg, sondern wollen dem*der Kund*in einen Mehrwert bieten. Wir bevorzugen den ehrlichen Umgang. Ich glaube dadurch führen wir eine langfristige Strategie. Wenn wir schnell zu Geld kommen wollen, verarschen wir die Kund*innen.
fügt weitere Erläuterungen an, während T vom WC zurückkehrt. 
T  Ein Beispiel: Ein*e Kund*in muss mehr Umsatz generieren und braucht neue Marketingmassnahmen. Er*sie kommt also zu mir und sagt: «Tobi, wir müssen eine neue Website, einen Flyer und auch einen Katalog haben.» Ich aber bevorzuge es, wenn er*sie eine Strategie braucht und mich fragt, wie er*sie sich positionieren kann. Der*die Kund*in denkt häufig in Einzelteilen. Unsere Aufgabe ist es aber, eine geile neue Idee zu finden, eine Story, einen neuen Ansatz. 
C  (Gönnt sich einen Schluck Bier) Oft ist alles zusammengewürfelt. Natürlich ist ein Konzept mit Kosten verbunden. Die Herausforderung ist es also dem*der Kund*in zu sagen, dass er*sie einzelne Dinge anderen Orten günstiger bekommt, aber dass WIR ihm*ihr ein Konzept anbieten.
T  Der*die Kund*in muss das Gefühl bekommen, dass er*sie bei uns gut aufgehoben ist. Er*sie muss uns Vertrauen schenken, denn ohne geht es gar nicht. 
C  Die Nähe zum*zur Kund*in ist massgebend. Darum sind wir der Chrigi und der Tobi. Darum sind WIR eher die, die duzen. Wir brauchen diese Nähe. Es entsteht eine Art von «sachlicher Freundschaft». Indem er*sie realisiert, dass wir es wagen, gewisse Dinge anzusprechen, entsteht ein offenes Verhältnis.
T  Wir haben mit ganz vielen verschiedenen Branchen zu tun. Bei uns ist die Pharmaindustrie, Sportverbände, Finanzdienstleister. Wir sind sehr, sehr breit gefächert und haben ein sehr grosses Interesse. Du musst dich mit den Themen beschäftigen wollen. Wir sind in allen Fällen auch Fans des Produkts.


«Ich glaube Identifikation erweitert die Sinne und bringt uns mehr Erfahrung.»

Dritter Akt: «Ankunft»

In eurem Auftritt spielt ihr mit dem Sujet der Aare. Warum?


(Wieder beginnen beide gleichzeitig zu sprechen. Sie schauen sich lachend an. Tobi erhält den Vortritt).
 
T  Wir arbeiten hier in unmittelbarer Nähe zur Aare. Damals bei der Findung der Corporate Identity, es war Sommer, brauchten wir hie und da eine Erfrischung. So ist das Motiv der Aare immer mehr in den Fokus gerückt. 
C  Es ist auch so, dass wir in die Aare steigen, um «FRESCH» zu werden, um vom Computer wegzukommen und in der Aare weiter zu diskutieren. Wenn wir zurückkommen, haben wir zum Teil andere Ansichten. Auch wenn der «Schwumm» nur eine Viertelstunde gedauert hat. Die Aare bedeutet uns beiden viel.
T  Sie bedeutet UNS viel und sie bedeutet den Berner*innen viel, was uns wiederum klar positioniert. Ein Bild, die grüne Aare mit schwimmenden Menschen, löst bei extrem vielen extrem viel aus. Das ist so einfach und geradlinig. Und es sagt so viel aus.


«Die grüne Aare mit schwimmenden Menschen löst bei extrem vielen extrem viel aus.»


Ein Lebensgefühl?


(Beide gleichzeitig) Genau!
 T  Aus dem Aarebild ist dann auch die frische, natürliche Farbwelt für unser Corporate Design entstanden. 
C  Es ist ein Bild, das Identität stiftet, und daraus haben wir die Farben genommen.


fre-herkunft-farben.png

Herkunft der FRESCH Farben


Und der Name «FRESCH Identity» ist eine berndeutsche Adaption von «fresh»?


T  
Ja, kann man sagen. Andererseits möchten wir uns vom normalen «fresh» abgrenzen. Du merkst manchmal erst im Moment des Kreierens, dass du dich aufgehoben fühlst. Der Name ist genau unser Ding. 


Die beiden Programmierer*innen von soom-it trinken nun auch ein Bier, ihr Fokus richtet sich aber weiterhin auf den Bildschirm. Der Interviewer stellt das Aufnahmegerät ab und bedankt sich für das feine Gespräch. Eine weitere Runde Bier ist nicht ausgeschlossen.

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