#Geschichten, Interview aus dem Jahr 2013, getextet auf Grundlage von Dunkeltext

Sommer 2013, kleine Bürogemeinschaft. Offene Fenster und offene Diskussionen. Zwei Köpfe, ein Gedanke: Wir wollen das nicht so machen wie die anderen.

Noch eine Agentur?

Tobi sitzt auf dem Sofa, steuert einen kleinen Helikopter durch den Raum. Wir sind im Erdgeschoss des alten Ryff-Areals in Bern. Fünf Leute, zwei Firmen. Drei Programmierer, dazu Tobi und Chrigi. Die Luft ist stickig. Vernunft trifft auf Leichtsinn, Konzentration auf Kühnheit. Chrigi öffnet das Fenster. Und bringt die Kiste Bier ins Warme. Die Programmierer:innen von soom-it reagieren erst, als Tobis Helikopter auf einer Tastatur landet. Es ist 17 Uhr. Flaschen klirren. Erdbeeren, Nüsse und Chips stehen bereit.


Ihr habt im Sommer 2013 eine Agentur für echte Marken gegründet und tretet seither unter dem Namen «FRESCH Identity» als GmbH auf. Wie unterscheidet sich eure Agentur von den zig anderen?
 

Chrigi: Eine Grafikagentur zu gründen, ist noch keine innovative Idee. Es geht darum, wie man arbeitet. Wie man mit Kund:innen spricht, wie man ihre Themen versteht, weiterdenkt, hinterfragt. Ich will auch mal sagen können: «Hey, das brauchst du nicht.» Genau das ist für uns ein Mehrwert. Ehrlich sein. Klar sein. Und nicht einfach machen, was gewünscht ist.

Tobi:  Wir glauben wirklich daran, dass genau das etwas bringt. Dass Kund:innen merken: Das sind Chrigi und Tobi. Die kann ich anrufen. Mit denen kann ich reden. Oder ein Bier trinken. Oder ein Glas Wein. Diese Nähe ist uns wichtig. Dieses Aufgesetzte in Agenturen früher, das war für mich immer anstrengend.


«Eine Grafikagentur zu gründen, ist noch keine innovative Idee.»


Und ihr nennt euch trotzdem Agentur.


Tobi:
Darüber haben wir verdammt oft diskutiert. Der Begriff ist halt gesetzt. Entweder bist du ein kleines Grafikatelier oder eine klassische Werbeagentur. Für Google musst du irgendwo reinpassen. Also sind wir offiziell eine Agentur. Auch wenn wir’s anders meinen.


Macht doch eine Anti-Agentur, dann werdet ihr auch gefunden.


Tobi:
Anti-Agentur Bern? Eigentlich gar keine schlechte Idee. Agenturen haben ja nicht den besten Ruf. Wir wollen nicht dazugehören oder zumindest nicht zu denen, die alle nerven. Vielleicht ist das naiv. Vielleicht muss man irgendwann Kompromisse machen. Aber wir wollen freundlich sein. Und frisch.

Chrigi:  Genau!

Tobi: Auch sozial. Klar, wir wollen angenehm leben. Und irgendwann auch Geld verdienen. Aber nicht reich werden auf Kosten anderer.

C hrigi: Genau!

Tobi: Es soll für alle stimmen. Sonst bringt’s nichts.


Chrigi und Tobi sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Sie reden ruhig, lassen sich Zeit, hören einander zu. Chrigi trägt seinen typischen Kapuzenpulli, Tobi eine auffällige Brille und einen gelben Schal. Aussen wirkt es gegensätzlich, innen passt es.

Chrigi ist Berater und Projektleiter, Tobi ist Gestalter. «Bei wichtigen Diskussionen gibt’s oft Reibung», sagt Chrigi. «Genau das hat uns gezeigt, wie viel drinliegt, wenn zwei Köpfe unterschiedlich ticken», ergänzt Tobi. Wer die beiden beobachtet, merkt schnell: Da ist Respekt. Da ist Vertrauen. Und da ist das gemeinsame Ziel, nicht einfach nett zu gestalten, sondern klug.

Tobi und Chrigi im 2013

Lieber unbequem als beliebig

Ihr differenziert euch über Authentizität, Ehrlichkeit und das Unverbrauchte. Ist nicht die Überblickbarkeit eurer kleinen Agentur auch ein wesentliches Differenzierungsmerkmal?


Tobi:  
Unbedingt. Unser Ziel ist nicht, mal 30 Leute anzustellen. Wir wollen klein bleiben, aber nah dran. Lieber fundiert arbeiten, als wachsen um jeden Preis.

Chrigi: Eine:n Assistent:in würden wir schon nehmen! Alles andere ergibt sich.

Tobi: Viele denken, wir seien zu klein für ihr Projekt. Dabei wären wir genau richtig. Wir arbeiten mit einem Netzwerk aus Leuten, die wir gezielt einbeziehen. Programmierer:innen, Fotograf:innen, Texter:innen, Freelancer:innen. Alles kein Problem. Zwei Köpfe vorne, viele Hände im Hintergrund.

Chrigi: Und das ist oft sogar ein Vorteil. Weil wir gezielt Spezialist:innen einsetzen können. Nicht einfach die Leute nehmen, die grad im Haus rumsitzen. Wir bestimmen, wer für was passt. Und nicht umgekehrt.


Diskutieren wir doch über die Arbeitsphilosophie von FRESCH Identity. Was geschieht, wenn ihr eine Aufgabe angeht?


Tobi:
Im Prinzip läuft’s so: Der oder die Kund:in kommt mit einer Aufgabe. Meist schon mit konkreten Vorstellungen, was gemacht werden soll. Und dann gibt’s zwei Möglichkeiten: Man sagt einfach Ja. Oder man stellt Fragen. Auch wenn’s unbequem ist.


«Wir suchen nicht den bequemsten Weg. Sondern den, der Sinn macht.»


Die Ja-Sager Strategie wäre komfortabler.


Chrigi:
Ja klar! Aber wir suchen nicht den bequemsten Weg, sondern den, der Sinn macht. Ehrlich sein, auch wenn's anstrengender ist. Das zahlt sich aus. Kurzfristig schnell Geld verdienen? Klar, geht. Aber dann verarschen wir die Kund:innen. Und das ist nicht unser Ding.

Tobi: Ein Beispiel: Eine Kundin sagt: «Wir brauchen eine neue Website. Und ein Flyer. Und einen Katalog.» Ich frage dann: «Braucht ihr das wirklich? Oder braucht ihr eine Idee, wie ihr euch positioniert?» Die meisten denken in Einzelteilen. Unsere Aufgabe ist, das Ganze zu sehen. Einen Gedanken zu finden, der trägt. Eine Story, die funktioniert.

C hrigi: Oft ist alles wild zusammengemischt. Klar, ein Konzept kostet. Und natürlich kann man sich einzelne Sachen günstiger holen. Aber dann fehlt der rote Faden. Wir bieten den Rahmen. Die Idee dahinter.

Tobi: Kund:innen müssen spüren, dass sie bei uns richtig sind. Vertrauen ist zentral. Ohne funktioniert es nicht.

Chrigi: Und Nähe. Darum sind wir der Chrigi und der Tobi. Darum duzen wir. Weil es so einfacher wird, ehrlich zu sein. Es entsteht eine Art «sachliche Freundschaft». Man merkt, dass wir Dinge beim Namen nennen.

Tobi: Und das geht nur, wenn du dich wirklich für das Gegenüber interessierst. Wir arbeiten mit allen möglichen Branchen: Pharma, Sport, Finanzen. Wir müssen neugierig bleiben. Wir müssen Bock haben. Und im besten Fall: Fans werden vom Produkt.


«Wir müssen neugierig bleiben.»

Brainstorm mit Badehose

In eurem Auftritt spielt ihr mit dem Sujet der Aare. Warum?


Tobi: Wir arbeiten gleich bei der Aare. Als wir damals unsere Identity entwickelten – es war Sommer und heiss – sind wir oft reingesprungen. Irgendwann wurde klar: Die Aare ist mehr als Kulisse. Sie ist Teil von uns.

Chrigi: Sie bringt uns raus aus dem Kopf. Rein ins Gespräch. Wir diskutieren im Wasser weiter, kommen mit neuen Blickwinkeln zurück. Auch wenn der Schwumm nur 15 Minuten dauert.

T  Und die Aare bedeutet nicht nur uns etwas. Sie gehört zu Bern. Ein Bild davon – grün, klar, mit Leuten drin – sagt alles. Es ist einfach. Und stark.


«Die grüne Aare mit schwimmenden Menschen löst bei extrem vielen extrem viel aus.»


Ein Lebensgefühl?


Beide: Genau!

 Tobi: Aus diesem Bild der Aare ist unsere Farbwelt entstanden. Frisch, klar, natürlich.

Chrigi:
Es ist ein Bild, das Identität stiftet. Und genau daraus haben wir die Farben genommen.


fre-herkunft-farben.png

Die Farben so natürlich wie die Aare


Und der Name «FRESCH Identity» ist eine berndeutsche Version von «fresh»?


Tobi:
Kann man so sagen. Aber eigentlich wollen wir uns vom normalen «fresh» abgrenzen. FRESCH fühlt sich nach uns an. Nach hier. Nach echt. Man merkt oft erst beim Machen, dass etwas stimmt. Und bei dem Namen haben wir sofort gespürt: Das ist genau unser Ding.

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